Hallo Anita,
im Hafen von Sassnitz liegt sie friedlich im spiegelglatten Wasser. Ein Traum wird wahr in jedem Fall, für mich und weitere 6 Recken, die die nächsten 7 Tage mit Anita ein Rendezvous haben werden.
Angekommen, nach langer Anreise, für uns alle, mit Zug oder Auto in dunkler Nacht. Es folgt eine Besichtigung, ein kurzes Briefing mit Willkommens Rotwein und um 1 Uhr ab in die vorher präparierten Kojen.
Von Michi, Gernot, Matthias, Peter, Didi, Tobi und Martin hört man am Morgen um 7 erst wieder was. Nach Duschen und Frühstücken wird es ernst, Bootsinspektion für alle, wo ist was. Ah, Motor braucht 1 Liter Öl. Wir schütten nach der Suche, (neben dem Duschgel) 1 Liter nach und kaufen beim Tanken für die Tour 5 Liter.
Endlich gehts los, behutsam gehen die Segel hoch, dann wird auf die größere Genua getauscht, wir haben wenig Wind. Der Wind nimmt leicht zu und Segeln “at itʼs Best”, bei bestem Wetter für Stunden, ließ die Zeit bei halb Windkurs im Fluge vergehen, Wind 12 KN, Speed 9,3 KN. Mit Einbruch der Dunkelheit liegen wir zweimal sicher vertaut im Industriehafen. Das erste Mal hinter verschlossenem Tor einer Firma, suboptimal, also verholen neben einen Privatkutter, der auch aus Sassnitz gerade angekommen ist. Einlauf-Absacker, Bier und Rotwein und ab in die Kojen. Nach der Morgentoilette und Frühstück eine kurze Stippvisite durch den malerischen Ort mit netten Menschen sowie einem Cappuccino, dann laufen wir aus, Ziel Ystad in 36 nm.
Leider Wind von vorn mit 4 KN, daher erst einmal mit Motor Marschfahrt mit 5 KN. Relaxen bei Imbiss und schönen Gesprächen. Abwechslung bringt das Verkehrstrennungsgebiet mit mächtig Verkehr. Dank AIS aber alles unter Kontrolle. Das Trennungsgebiet ist überquert, sofort gehen die Segel hoch und 7,5 KN bei leichtem Wind sind eine Wohltat für die Segler. Nur noch glückliche Gesichter schauen sich an. Jetzt noch ein wenig trimmen und dann wird genossen. Auf See ist das Wetter gut aber über Schweden zieht es sich zu. In der Tat, die ersten Tropfen fallen nun auch bei uns, also rein in die Regenkleidung und Schwimmwesten anlegen, denn es besteht die Gefahr von Gewitterböen. Aber es bleibt harmlos, und bei gutem Wind und ein paar Wenden bei 8,5 KN Fahrt legen wir sicher im Industriehafen Ystad, vor einem Folkeboot mit einem jungen Pärchen, das ins Mittelmeer will, an. Im Moment üben sie gerade den Palstek. . Wir Väter machen uns Sorgen um die zwei.“Have a nice Trip” den Beiden und schon sind die Leinen wieder los.
Ziel für den dritten Segeltag Klintholm in Dänemark, 55 Meilen. Leider wieder kaum Wind, und dann auch noch von vorn, also brummt der Yanmar mit seinen 75 PS, der ist erst seit ein paar Jahren an Bord, (davor gab es diesen Luxus nicht). Bei herrlichem Wetter “Cabrio Feeling” für den Steuermann. Kulinarisch bleiben keine Wünsche offen, heute gibt es Gulasch, das kurz vor dem Auslaufen noch besorgt wurde. Dann kommt der Wind, Segel hoch, heute kommt die kleinere Genua zum Einsatz. Später hatten wir bis zu 20 Knoten Wind, so dass wir auch das erste Reff einbinden. Wir müssen gegen an und ein Windpark muss umrundet werden. Wir entscheiden uns die Windanlagen rechts liegen zu lassen, ein mühsames Unterfangen gegen an und viel Welle beginnt, zumal der Wind wegdreht.
Nun kommt auch noch ein Umweg auf uns zu. Letztendlich werden aus 55 sm schließlich 70 sm. Anita segelt mit 7 Knoten im “Besten” recht ruppig, was den Koch aber nicht nach einem Linseneintopf mit Würstchen in der Kaffeetasse abhält, das Gulasch zu zelebrieren. Eine Meisterleistung kulinarischer Art bahnt sich an.
Wir kreuzen uns Richtung Ziel, und an der Küste von Klintholm wird ausgerefft und noch eine Stunde bei abnehmenden Wind und Welle weiter gesegelt. Es wird jetzt dunkel, das Gulasch ist fertig, also Segel bergen und dann unter Motor in 2 Schichten weiter.
Eine Schicht erlebt ein Gaumen Highlight, während die andere Anita steuert.
Kurz vor dem Hafen, unser Plotter zeigt freie Fahrt und Wassertiefe, plötzlich großes Geschrei, Achtung Pfähle, Pfähle, zurück, zurück sofort.
Hastig wird aufgestoppt und wir reiben uns verwundert die Augen...jede Menge Pfähle ragen vor uns, 4 Meter aus dem Wasser. Ah, alles gut gegangen, gut das wir am Bug mit Licht Ausschau gehalten haben, und rechtzeitig reagieren konnten.
Nach einem kleinen Verholeschlag liegen wir ruhig und sicher im Hafen von Klintholm. Anlege Bier und dann um halb eins ins Bett, das hervorragende Gulasch, und das Erlebte verdauen.
Frühstücken und nun, wo gehts hin ??? Gedser heißt das Ziel, Smålands Fahrwasser ist wegen der Masthöhe von 28 Meter nicht möglich. Auslaufen um 12 Uhr mittags... Sunshine Wetter bei leichten Winden, schnell liegt die Steilwandküste von Klintholm achteraus. Anfangs fahren wir am Wind, der aber immer achterlicher einfällt.
Wie wird eigentlich auf der Anita der Spi gehändelt? Nach der Theorie folgt der logische, praktische Teil. Doppelte Spischoten, brandneu, werden angebracht und der Spi aus dem engen picke-packe vollem Vorschiff bereitgelegt. Der Spibaum wird angeschlagen und in Position gebracht, dann klar bei Spi, ruckzuck ist er oben. Nachdem die Genua geborgen ist, füllt sich das riesige Segel mit Wind. Wahnsinn was ein Anblick, riesig groß, 240 Quadratmeter stehen majestätisch im Wind. Wir sind beeindruckt. Feintrimm und weiter geht die Fahrt, die dann nach einer drei viertel Stunde mit dem Bergen des Spiʼs endet. Spannung macht sich breit, die gigantische Fläche beeindruckt, wie und das muss in den Sack??? Es geht leichter und problemloser als gedacht. Nach einer ordentlichen Plackerei liegt der Spi unbeschadet wieder im Vorschiff bei den anderen Segeln.
Gedser anzulaufen ist dann tricky, viele Tonnen und mehrere Fahrwasser. Am Ende des Tages liegen wir sicher im Päckchen im Yachthafen.
Am nächsten Morgen, 16 Knoten Wind der, leider von vorn, wir starten Richtung Westen. Es geht gut voran, Anita tanzt in den recht hohen Wellen. Wir sind mit Spaß dabei, wieder taucht ein riesiger Windpark vor uns auf, der uns nun stundenlang begleiten wird. Der Wind wird immer schwächer, die Wellen irgendwann.
Wir wollen nach Bagenkop, es wird Rødbyhavn, aber der Reihe nach.
Anita dümpelt nur noch, also wollen wir unter Motor weiter, so wie die MIR und andere Großsegler die wir am Horizont und mit AIS ausmachen, es auch tun.
Bereit zum Segel bergen, Motor an! Aber, nichts passiert, ein kurzes Drehgeräusch dann Stille. Nochmal, nix... Ratlose Gesichter schauen sich an.
Der Skipper bleibt entspannt, ah, anscheinend alles unter Kontrolle, gut die Segel bleiben erst einmal oben, wir dümpeln weiter.
Der eine Teil der Mannschaft kümmert sich nun um die Sicherheit, wir treiben ja nun manövrierunfähig in der Fahrrinne der Berufsschifffahrt, ein Frachter muss angefunkt werden, wir bitten um seine Kursänderung, klappt. Der technisch versierte Teil der Mannschaft verschwindet während dessen unter Deck in der Motorenkiste, schnell sieht es dort aus, wie in einer nicht aufgeräumten Werkstatt, aufgeklappte Werkzeugkasten, Handbücher und dergleichen liegen nun überall rum.
Jede Menge Prognosen werden besprochen und abgewogen oder wieder verworfen.
Im Logbuch finden wir Hinweise auf ähnliche Störungen, denen nachgegangen wird, es sind schon mal Probleme mit dem Anlasser aufgetreten und wir haben sogar 2 in Ersatz dabei.
Irgendwie kommt Seewasser in einen Zylinder, dann überhitzt beim Start der Anlasser und dessen Innereien schmelzen bevor er fest sitzt... Der Motor wird mehrfach von Hand gedreht, damit das Seewasser aus dem Zylinder gedrückt wird, und der Anlasser wird getauscht.
Eine Prozedur die schon einige Zeit in Anspruch nimmt, irgendwann fliegt dann ein Helikopter über uns, der hielt auf uns zu, kurz schaute und dann Richtung Fehmarn abdreht, hatten wir den mit unserem Funkruf alarmiert???
Der Anlasser ist nun neu und mit Spannung wird neu gestartet. Aufatmen, mit dem neuen Anlasser springt der Motor nach etwas Orgeln an.
Anscheinend hat der Motor Probleme, wenn er nach höherem Seegang wieder gestartet werden muss, telefonisch wird für Freitag eine fundierte Recherche durch Fachkräfte in Kiel organisiert.
Während der Reparatur liegt der Windpark immer in gefühlter Greifweite. Jetzt unter Motor nehmen wir seine komplette Länge ab und liegen für die Nacht in Rødbyhavn, nach einem gelungenen Abendessen im Freien, einem grandiosen Sonnenuntergang und abschließenden Absacker und allerlei Blödeleien. Interessant hier hat der Vollmond ein Zifferblatt.
Rødbyhavn liegt am Morgen schnell achteraus, die Segel gehen mutig vor der Fähre hoch, leider zu tollkühn, mit lautem Gehupe werden wir ausgebremst und nachdem wir freien Raum haben gehen die Segel hoch.
Der Wind ist kommod und wir kommen gut voran. Segeln mit Anita , besser gehts wohl kaum, alle grinsen und wir lassen es uns gutgehen.
Da eine größere Distanz heute zu segeln ist sind wir früh los und kommen auch gut voran, Maasholm ist unser heutiges Tagesziel.
Plötzlich ist der Wind weg, schade, aber wir haben ja unseren Motor der zuverlässig anspringt nach der gestrigen Reparatur. Wir fahren ein Stück, nach einiger Zeit gibt es neuen Wind der uns Richtung -Ziel- treibt.
Unser Novize lernt das Steuern und grinst. Zwischendurch tauschen wir im kleinen Funkkontakt, Nettigkeiten mit der uns begegnenden Marine aus, hier mit der Fregatte Baden-Württemberg.
Kleine Appetizer aus der Küche werden gereicht und irgendwie vergeht die Zeit wie im Fluge.
Vor dem Einlaufen in Maasholm starten wir unter Motor noch eine große Hafenrundfahrt in der Marina Olpenitz, und staunen nicht schlecht über die gewaltigen Baumaßnahmen, die so gar nicht für unseren Geschmack ins Landschaftsbild passen wollen. Schnell weg hier und rein ins Schleifahrwasser, wo wir gleich im Eingangsbereich der Marina Maasholm einen Liegeplatz vor Kopf bekommen.
Nach dem Einlaufbier gehts in den Ort zum Fischessen.
Oha, am nächsten Morgen Gewitterböen und Regen mit Wind von Westen, und wir mit dem Heck zum Wind.
Jetzt wirds psychologisch, frühstücken und los. Eindampfen in die Spring und das Heck abdrücken mit dem langen Bootshaken. Klar bei Ballonfender am Bug, sauber läuft Anita langsam rückwärts, leider nur ein paar Meter, dann bricht sie aus und ruckzuck stehen wir quer im Hafenbecken.
Hafenkino geht los, alle Blicke auf uns, ganz furchtlose starten gerade jetzt ihr Auslaufmanöver und halten auf uns zu, das Chaos scheint perfekt zu werden.
Der Skipper, die Ruhe selbst, steuert vor und zurück immer auf Tuchfühlung zu anderen Booten die am Steg liegen, oder hastig den Weg nach draußen suchen. Eine Böe nach der anderen vereitelt unser Vorhaben das Boot gerade zu richten oder zu drehen.
Souverän arbeitet der Steuermann an diesem Vorhaben, dazu muss “Fahrt” ins Schiff kommen nur dann lässt Anita sich steuern.
Rückwärtsfahren lässt ein Langkieler sich nur schwer, vor allem bei Wind. Aber nach einigen Versuchen schaffen wir es, haarscharf vor den immer mehr werdenden Zuschauern, nimmt Anita nun vorwärts Fahrt auf, wir haben uns auf denkbar engem Raum gedreht.
Hiervon gibt es leider, der Spannung geschuldet, kein Foto.
Mit Rauschefahrt verlassen wir die Ausfahrt des Hafenbeckens, der Vorhang fällt und das Hafenkino ist aus, die Zuschauer gehen beeindruckt zurück auf ihre Boote.
Unter kleiner Fock geht es zügig an der Giftbude in Schleimünde vorbei, Ziel heute Kiel, ins Millionärsbecken zu den anderen 12ʼern, dem Endpunkt unserer Reise.
Jetzt ist ordentlich Wind, über Land zucken die Blitze und es donnert über Eckernförde, davor eine brandneue Megayacht auf ihrer zweiten Fahrt.
Der Windmesser geht immer höher, zwischendurch auf 100 Knoten, wie bitte, natürlich eine Falschanzeige, aber es waren schon so um die 30 Knoten.
Beeindruckende Stimmungen wechseln sich ab, ab dem Stollergrund wird die Sicht besser und für den Rest des Tages wieder Sunshine für Anita und ihre inzwischen traurig werdende Crew.
Der letzte Tag, die letzte Nacht mit unserer neuen Freundin. Die Anita hat uns in ihren Bann gezogen und wir Erliegen ihrem Zauber, nein wirklich es war eine große Erfahrung mit tiefen Eindrücken die uns sicherlich noch eine Zeitlang begleiten. Irgendwie hat man das Gefühl schon wochenlang mit ihr unterwegs zu sein, der Alltag ist meilenweit entfernt, ja abschalten, das hat geklappt, hoffentlich hält dieses Gefühl noch länger an, wir waren in einer anderen Welt, in unserer Welt, als kleine Gruppe Gleichgesinnter. Auf einem 12ʼer ist ein Einzelner verloren, nur gemeinsam bewältigt man die unglaublichen Kräfte, Lasten und Drücke, die dann, wenn sie in Balance gebracht werden zu Hochgefühlen anwachsen.
Auf dem Meer braucht man nicht viel, um Glücklich zu sein, mal abgesehen davon das Anita natürlich ein ganz besonderes Schiff ist und nicht jeder den Luxus genießen kann auf Ihr zu segeln.
Vielen Dank an dieser Stelle dem Förderverein der Anita, die es möglich gemacht hat diesen unvergesslichen Trip zu erleben.
Aber, noch sind wir nicht im Hafen, und wir genießen die letzten Meilen auf der Kieler Förde, dann taucht der Hafen an Steuerbord auf und legen rückwärts neben weiteren fünf 12ʼern souverän an.
Geschafft, wir sind zurück ohne Blessuren an Crew und Schiff. Abends ein leckeres Abendessen danach noch ein paar Reste wegtrinken, Nachtruhe, duschen, frühstücken und dann ist nach dem Putzkommando plötzlich tatsächlich der Trip zu Ende.
Die gepackten Taschen stehen an Land und nach einer herzlichen Verabschiedung befinden wir uns auf dem Weg nach Hause...
Einziger Trost, die Hoffnung auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr, dann von Göteborg über Kanäle und Seen mit Anita nach Stockholm, hoffentlich klappt es...
Dankeschön an die Crew, die immer mit Freude, Spaß und gegenseitigem Respekt zusammengearbeitet hat.
Mit dabei waren Michi der Skipper, Didi der fliegende Gourmetkoch, Matze der Maschinist, Tobi der Taktiker, Matthias der Novize, Peter der schreibende Colorman und natürlich Gernot der Schwoab der alles kann...
Fortsetzung folgt... Peter Zoernack